Hallo ihr lieben Menschen,
ein großer Teil der letzten drei Jahre hat für mich aus dem ständigen Versuch bestanden, angesichts der Nachrichtenlage nicht zum Zyniker zu werden. Mein Welt- und Menschenbild hat ein paar ganz
schöne Kratzer abbekommen und ich zweifle zunehmend an Grundsätzen, die ich von Kindesbeinen an als "normal" und "gegeben" gelernt und wahrgenommen habe.
Dass die Zyniker-Sache bisher nicht eingetreten ist, verdanke ich wohl unter anderem der Tatsache, dass ich im letzten Jahr in meiner Rolle als Musiker mit Erwartungen brechen, mit Formaten experimentieren und dabei,
jedenfalls in meinem kleinen Kosmos, an Gegennarrativen zu all dem was mich schlaucht, arbeiten konnte. Mein Blog ist dabei zu einer Art Logbuch
geworden, in dem ich versucht habe, von meinem Um-mich-selbst-Drehen auf das große Ganze zu kommen und
mich immer wieder zu ordnen.
Es gibt aber vor allem eine Person, die in den letzten Jahren dafür gesorgt hat, dass ich bei all der Reibung und den ganzen Widersprüchen nicht irgendwann einfach zusammengeklappt bin:
Meine beste Freundin, Lebensgefährtin und Mitmusikerin Clara.
Sie hat nicht nur in wichtigen Momenten motiviert, ausgebremst oder die richtigen Fragen gestellt, sondern auch ausgehalten, wenn ich manchmal an düsteren Orten festgesteckt bin, sich zu mir
gesellt, meine Gedankengänge mitverfolgt und nicht selten freigeräumt.
Letzte Woche hab ich ihr dieses kleine Lied geschrieben.
Hört gerne rein (es ist nur eine Handyaufnahme, weil ich gerade unterwegs bin). Tatsächlich hat es nämlich auch etwas mit Euch zu tun:
Beim ersten Konzert meiner Solo-Tour im November hat sich ein junger Erdkundelehrer zu mir auf die Bühne gesetzt (das war übrigens teil des Konzepts) um mich zu fragen, wie ich es schaffe, bei all den schweren Themen im Blog und auf den Konzerten so optimistisch, positiv und aktiv zu
bleiben. Wir haben dann darüber gesprochen, dass ich Mitte des Jahres für ein paar Sitzungen bei einem Psychologen gewesen bin, weil ich mit leichter Reizbarkeit, innerer Unruhe
und phasenweise auch Antriebslosigkeit zu kämpfen hatte. Mitgenommen hab ich dabei am Ende vor allem, dass sich das ganze Kuddelmuddel in Kopf und Bauch nicht auf der rationalen Ebene allein
lösen lässt.
Mein emotionaler Zugang ist mir im letzten Jahr wohl irgendwo zwischen dem ununterbrochenen Brüten und meinen, manchmal vielleicht auch ein bisschen verkopften, Blogeinträgen
verloren gegangen. Ich hab lange Zeit keine Lieder mehr schreiben können ... bis ich den Zugang vor ein paar Wochen im Rahmen meiner autobiographischen Tour wiedergefunden
habe. Unter anderem eben deshalb, weil ich dort offen zu und mit anderen Menschen über genau solche Dinge sprechen (und schreiben) konnte. Ich war überrascht davon wie bewegend das für
mich war, habe wahnsinnig viel über mich und andere gelernt und musste tatsächlich ein bisschen heulen, als sich während der Rückfahrt vom letzten Konzert ein dicker alter Knoten in
meinem Bauch gelöst hat.
Es geht nicht ohne die Hilfe von anderen.
Unter einem meiner letzten Blogeinträge hat jemand den Satz, "Bitte lass Dich nicht heroisieren.", geschrieben und ich hoffe dem hiermit ein bisschen entgegengewirkt zu haben. Wenn man
sich dazu entscheidet, sich selbst zu hinterfragen und die Widersprüche des eigenen Lebens und Handelns für eine Weile nicht mehr einfach nur verdrängt, sondern versucht mit ihnen
umzugehen bzw., wo das nicht möglich ist, sie auszuhalten, entsteht automatisch Reibung. Nicht nur mit sich selbst (ich hab neulich
schonmal geschrieben, dass eine große Konfliktlinie unserer Zeit nicht nur zwischen uns und den bösen großen Firmen und untätigen Regierungen liegt, sondern auch mitten durch uns
selbst hindurch geht). Auch mit Menschen im eigenen Umfeld kann es manchmal zu Konflikten kommen, weil sich ein anderes Verhalten und Bewerten für andere auch immer wie eine Kritik an oder gar
ein Angriff auf das eigene Leben anfühlen kann. Es hat einfach nicht jeder die gleichen Kapazitäten und immer genügend Kraft, um grundsätzliche Dinge zu hinterfragen.
All das kann dazu führen, dass man sich zeitweise ziemlich mutterseelenallein fühlt und umso wichtiger ist es, Menschen, Gruppen und Verbündete zu haben, die die eigene Gedankenwelt teilen oder
bereit sind, sich darauf einzulassen und einen aus den Löchern, die man sich manchmal selbst buddelt, wieder heraushelfen.
"Die Beschissenheit der Welt" kann man auch als kleine Ode hören, an all die Menschen, die einem auf diesem Weg Tag für Tag den Arsch retten. Egal ob Freunde, Familie, Beziehung, Band oder
Kegelverein ...
In diesem Sinne:
Danke an Alle, die mich bisher bei dem ganzen Spektakel in irgendeiner Form unterstützt haben.
Und Danke euch allen, fürs Lesen, Hinhören, Verstehen und ein Stück Mitgehen.
Aber jetzt kommt erstmal gut rüber ins nächste Jahrzehnt.
Es gibt viel zu tun. Und wenn ich eines gelernt hab, dann, dass das alles alleine nicht zu schaffen ist.
"Und so stell ich ihr uns entgegen,
der Beschissenheit der Welt."
Euer
Hannes
P.S. Achja, übrigens kann man den Titel wahlweise auch einfach auf eine renommierte deutsche Tageszeitungen beziehen:
Wer an Weihnachten ein Beispiel für absolute moralische Verkommenheit braucht, hier kommt es: pic.twitter.com/lPbCNyyFPb
— Zentrum für Politische Schönheit (@politicalbeauty) 23. Dezember 2019
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Der andere Hannes (Dienstag, 31 Dezember 2019 13:43)
Das freut mich sehr. Die Welt selbst ist übrigens nicht beschissen sondern ganz wunderbar und toll!
Thorsten (Dienstag, 31 Dezember 2019 13:53)
Sag mal Hannes... war das mit der Lebensgefährtin auch schon so in Hamburg 2019? Da wollte ich schon schreiben, Mensch Hannes, die Frau himmelt dich ja mal soooo an und du merkst es nicht??? Aber nun ist ja alles gut, viel Spaß euch beiden, gruß Thorsten:-)
Kati (Dienstag, 31 Dezember 2019 14:08)
Hannes, danke dass du einer der vielen gemeinsamen Nenner in individuellen lebensentwürfen bist. Danke für all dein Tun, auch wenn es nicht so wirken und immer viel zu klein und langsam sein mag, es hat Richtigkeit und Wichtigkeit und verändert Leben. Wortetausch, insbesondere in musik, ist wertetausch und die wiederum schaffen Heimat. Danke fürs manchmal Heimat sein, fürs der Seele so nah sein. Nichts war jemals leicht aber eben deshalb umso besser. Danke und eine schönen letzten Jahrestag euch allen und insbesondere dir für das verbinden.
Kerstin (Freitag, 03 Januar 2020 12:55)
... schön dass das neue Jahr mit positiven Aussichten für dich startet.Es geht im Leben eben nicht ohne Miteinander und Austausch....daraus entsteht Erkenntnis.Deine Musik hat mich schon durch einige Tiefen beigleitet,deine wunderbare Art wichtige Fragen zu stellen....
Ich liebe ganz besonders dein Projekt mit Finn Ole Heinrich... vielleicht wird es so etwas noch einmal geben?
Sei gegrüßt...
Jo (Freitag, 03 Januar 2020 15:56)
Wie schön. Danke dir fürs Teilen. Du gehörst (imho) auch dazu, du bist auch ein Suchender. Ich kann mich echt gut in deiner Musik, deinen Texten und deinen Blogeinträgen wiederfinden.
Danke fürs Weitermachen. Son bisschen Hoffnung braucht die Welt. Und jetzt noch mehr. 2020 wird gut werden! :)
Anne (Mittwoch, 01 April 2020 15:23)
Lieber Hannes,
vielen Dank für Deinen menschlichen Beitrag.
Veränderung benötigt immer eine emotionale Beteiligung.
In diesem Sinne, halte inne und sinne mit Deinen Emotionen.
Liebe Grüße
Anne:)
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