Was hätten wir denn tun sollen

Hallo ihr lieben Menschen,

neulich haben mich meine Freunde vom Grand Hotel van Cleef gefragt, ob ich mir vorstellen könne, anlässlich ihres 20-jährigen Jubiläums (Glückwünsch nochmal!) irgendeinen Song aus ihrem Label-Portfolio zu covern. Ich hab mich nicht lange bitten lassen und an zwei Tagen in meinem Wohnzimmer "Was hätten wir denn tun sollen" aus der Feder von Altmeister Marcus Wiebusch himself aufgenommen. Eigentlich sollte das Lied exklusiv in einer der Jubiläums-Vinyl-Boxen erscheinen. Weil ich aber finde, dass die Aufnahme echt schön geworden ist, wollte ich sie euch nicht vorenthalten und veröffentliche sie heute feierlich hier auf dieser Seite und morgen auch sonst überall, wo es Musik zu hören gibt. Ich hab aus meinen privaten Urlaubsaufnahmen sogar noch ein kleines Video dazu gebastelt:

Ich bin irgendwann in den Nullerjahren über den Soundtrack zum Film "Keine Lieder über Liebe", dort gesungen von Jürgen Vogel und unter dem Namen Strand, auf den Song gestoßen. Marcus hatte das Lied aber ursprünglich Anfang der 90er Jahre (damals war er noch mit seiner Punkband "... But Alive" unterwegs) geschrieben und auf einer Kassette mit dem schönen Namen "Hippiekacke" veröffentlicht. (HIER könnt ihr euch das Original anhören). Das mit dem Titel finde ich witzig bzw. spannend, weil meine eigene Musik auf diversen online-Plattformen wie myspace, facebook und youtube ja lange Zeit unter dem Handle "sentimentale Scheiße" zu finden war. Aus beidem spricht irgendwie das Gefühl, sich für die eigene Emotionalität und den Glauben an ein bessere Welt – oder nenne es "das Gute im Menschen" – in irgendeiner Form entschuldigen zu müssen. Gleichzeitig ist da aber offensichtlich etwas, was sich nicht unterdrücken lässt, was dennoch raus möchte an die Luft, um dem existenziellen und gesellschaftspolitischen Grau etwas entgegenzusetzen. Against all odds.



Marcus hat mit „Was hätten wir denn tun sollen“ vor 30 Jahren eine zeitlose Hymne an das Dennoch geschrieben, die gerade heute wieder sehr mit mir resoniert. Sie passt einfach schmerzlich gut in unsere Zeit, in der sich junge Menschen aus Mangel an Alternativen auf die Straße kleben und es kaum jemand wagt, angesichts der allgegenwärtigen Krisen noch an eine bessere Zukunft zu glauben. Aber das Bild mit den spielenden Kindern am Meer, in ihrer ausweglosen Situation, lässt sich nicht nur auf die aktuellen gesellschaftlichen Sackgassen übertragen sondern auch auf die ganz persönlichen existenziellen Fragen. Mit unseren langsam alternden Körpern, die uns die eigene Vergänglichkeit Tag für Tag vor Augen halten, mit unserem Bedürfnis, gesehen und geliebt zu werden in einer Welt die sich offensichtlich um ganz andere Achsen dreht, haben wir ja auch ein paar fragile Sandburgen zu managen, die jederzeit von der Flut mitgerissen werden könnten und es mit Sicherheit irgendwann auch werden. Ich hab mir in den letzten Jahren oft die Frage gestellt, wie man es schaffen kann, sich zu erlauben, vor manchen Dingen zu resignieren, ohne dabei fatalistisch werden zu müssen – im Großen wie im Kleinen. Zu einem besseren Schluss als Marcus bin ich bisher auch nicht gekommen. Aber ich lerne, und ich empfinde es als wirklich heilsam, Gegebenheiten und Zustände, über die ich letztendlich keine Kontrolle habe, zu akzeptieren. Ich atme dann auf und durch, spiele weiter, mit den Karten, die mir in die Hand gedrückt wurden. Ohne, dass dabei etwas Erhebliches egal geworden wäre. Ohne, dass es ein Argument dafür wäre, sich nicht mehr vor den heran rauschenden Wellen auf die Straße zu kleben.

Naja, jedenfalls hab ich versucht all das in der zweiten Hälfte meines Covers zu vertonen. Wie es sich anfühlt, wenn man es schafft los zu lassen und damit vielleicht zu wenden, was uns allen das Leben schwer macht. Die Flut umkehren. Vor allem bin ich aber froh und dankbar darüber, gerade überhaupt die Kapazitäten und den Raum zu haben, mich mit solchem Kram zu beschäftigen. Viele dieser Fragen sind in den letzten drei Jahren in verschiedene Lieder geflossen (einige davon kennt ihr ja schon), die ich demnächst zusammen als Album heraus bringen möchte. Ja, ihr habt richtig gelesen. Mein langjähriges Zuhause, der mairisch Verlag, feiert Anfang 2024 seine 100ste Veröffentlichung und sie haben mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, dass das eine Platte von mir sein wird. Ich hab mir ein Tränchen der Rührung verdrückt und zugesagt. Aber dazu irgendwann später mehr.

Genießt die letzten Spätsommertage und bis bald! (Vielleicht ja sogar auf der anstehenden Kurztour)

Hannes

P.S. Ha, hab ich doch fast vergessen, der lieben Denise Hennig für das mal wieder wunderbare Artwork zu danken. Ich drück dich!

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Kommentare: 16
  • #1

    Julian (Donnerstag, 31 August 2023 19:52)

    Wo soll ich, wo darf man da anfangen . Einfach alles toll ����

  • #2

    Marian (Donnerstag, 31 August 2023 20:01)

    Wunderschön, schon immer mein Lieblingslied von ihm. Hatte bisher zweimal das Glück es live von ihm zu hören, im Kiff in Aarau und bei ihrer Abschiedstournee damals in Berlin. Könnte jedesmal losheulen wenn ich es höre. Deine Version hat mir den Tag gerettet. Der Text trifft es auf den Punkt, ich hoffe es ist mit auf dem neuen Album…

  • #3

    Blech (Donnerstag, 31 August 2023 20:35)

    So notwistig und wunderschön mit Sehnsucht und Hin und Her-Geschiebe. ♥️

  • #4

    Cristianausdemtal (Donnerstag, 31 August 2023 21:50)

    Hey Hannes, sehr schöne Coverversion eines sehr schönen Songs. Danke, dass Du das gemacht hast.

  • #5

    Linda (Donnerstag, 31 August 2023 23:57)

  • #6

    Chris Magoley (Freitag, 01 September 2023 08:31)

    Ja genau und... Immer immer mehr.

    Danke für deine Kunst.

  • #7

    Sebastian (Freitag, 01 September 2023 08:36)

    Einfach Danke!

  • #8

    Jo (Freitag, 01 September 2023 11:19)

    Ich hab das gerade im Release Radar gehört und nach den ersten (ja bekannten) Worten hat es in meinem Kopf gerattert...
    Jetzt hier gelandet. Perfekte Gelegenheit um zu sagen: Fantastisch!
    Danke!

  • #9

    Sagardía (Freitag, 01 September 2023 11:34)

    Hallo Hannes, was für ein schöner Song und ganz toll arrangiert!
    Gratuliere und ganz liebe Grüße aus Berlin!

    Sagardía

  • #10

    Linda (Freitag, 01 September 2023 21:15)

    So schön! Wir hatten zufällig Anfang der Woche noch ins Tape reingehört, um zu klären wo genau dieses Lied herkommt. Und jetzt gleich nochmal von dir. Vielen Dank für die schöne Version. Ich freu mich immer noch wie ein Schnitzel, dass ich kettcar und dich mal an meinem Geburtstag auf einer Bühne sehen durfte.

  • #11

    Bernd (Freitag, 01 September 2023 21:55)

    Danke für diese berührende Version mit dem verstörend-schönem Video.
    Wäre doch schade, es nicht mit auf Dein 2024 erscheinendes Album zu nehmen...

  • #12

    Manuel (Montag, 04 September 2023 12:43)

    Wieder sehr berührend! Freue mich schon sehr auf den 3. Oktober im Knaack!

  • #13

    Alex (Mittwoch, 06 September 2023 19:16)

    Hi Hannes, spielst du irgendwann mal wieder in Bochum? Das war damals richtig klasse, auf der Wiese am Unicampus. Alles Liebe aus dem Pott

  • #14

    Chris (Mittwoch, 13 September 2023 19:18)

    Hey Hannes, es ist ein sehr schöner Spaceman Spiff Song geworden ;) und läuft gerade in Dauerschleife!
    Danke dir dafür!

  • #15

    Timm (Donnerstag, 21 September 2023 13:57)

    Seit langen Jahren spielt der kleine DJ im Kopf den Song, wenn ich an Meer oder Elbstrand bin. Danke für die große Freude!

  • #16

    Anna (Mittwoch, 04 Oktober 2023 07:23)

    Lieber Hannes,
    dein Konzert im Lark war wie ein Abend mit einem Freund, den man Jahre nicht gesehen hat - und die Gespräche fühlen sich an, als wäre es gestern gewesen.
    Die Tanzschuhe waren gepackt, vielen Dank, dass wir kurz mit dir fliehen durften. See you next year in Berlin!

    Deine Musik ist ein Geschenk.